Für den uns geläufigen Begriff „Königin“ gibt es kein entsprechendes ägyptisches Wort und daher ist die Verwendung dafür mit Vorsicht zu genießen. Die ägyptischen Texte heben allerdings eine Reihe von bedeutenden Frauen, die durch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zum König definiert sind, hervor. Uns sind drei Haupttypen von „Königinnen“ bekannt:
Immer wieder taucht die These auf, daß das Anrecht auf den Thron im alten Ägypten durch die weibliche Linie der Königsfamilie weitervererbt worden wäre – also in einer direkten Folge von einer „Thronerbin“ zur nächsten. Demnach müsste jeder Sohn, ob Sohn seines Vorgängers oder nicht, seinen Anspruch auf den Thron durch eine Heirat mit der „Thronerbin“ legitimieren. Dies würde bedeuten, daß der jeweilige Thronfolger in den meisten Fällen seine Schwester oder Halbschwester heiraten mußte.
Quelle Bild rechts: Nofret - Die Schöne. Die Frau im Alten Ägypten
Sollte diese Theorie zutreffen, dann hätte jeder König eine Frau von königlicher Herkunft heiraten müssen und demnach sollte es auch möglich sein, eine Linie direkt voneinander abstammender königlicher Frauen zu ziehen. Anhand der 18. Dynastie, die oft beispielgebend für eine solche „Thronerbinnen“-Theorie gesehen wird, können wir jedoch deutlich erkennen, daß eine solche Linie einfach nicht existiert. Legen wir das einmal näher fest: Eine Frau von königlicher Geburt kann durch den Titel „Königstochter“ eindeutig identifiziert werden, auch weil es in der 18. Dynastie keinen Nachweis über Frauen mit bürgerlicher Abstammung gibt, denen dieser Titel zugeschrieben wurde. Wir können rekonstruieren, daß einige „Königinnen“ der 18. Dynastie den Titel „Königstochter“ tragen, während wiederum andere dies nicht tun. Obwohl die Herkunft einer Königsfrau selten erwähnt wird, werden königliche Gemahlinnen, deren bürgerliche Abstammung uns bekannt ist, nicht mit dem Titel „Königstochter“ bezeichnet. Somit können wir also ausschließen, daß dieser Titel manchmal Frauen von bürgerlicher Abstammung verliehen wurde, um ihren Rang zu erhöhen und daher zwischen „reiner“ und „bürgerlicher“ Königsfrau zu unterscheiden. Widerlegen kann man diese Theorie übrigens nur mit dem Hinweis, daß die Hauptfrauen von Thutmosis II und Amenophis III. nicht königlicher Herkunft waren. Es wird also deutlich, daß es keinen kontinuierlichen Stammbaum der „Thronerbinnen“ gibt.
Zweifellos gibt es einige Fälle, in denen ein Pharao seine Schwester oder Halbschwester heiratete und Kinder von ihnen bekam, jedoch lässt sich dies eben nicht lückenlos für alle Herrscher nachweisen. Auch in ägyptischen Texten gibt es keinerlei Hinweise darauf, daß überhaupt eine Art von „Thronerbin“ existierte.
Als Beispiel für einen Vater, der neben seinen Schwestern auch seine Töchter heiratete, können wir den Pharao Amenhotep III. sehen. Es gibt jedoch auch einige andere, wie etwa Ramses II. und vermutlich auch Echnaton. So wird z.B. Sitamun, die älteste Tochter von Amenhotep III. und Teje, als „Ehefrau des Königs“ und sogar als „Hauptfrau des Königs“ bezeichnet. Den letzteren Titel trägt sie allerdings nur in Abwesenheit ihrer Mutter, denn auf Darstellungen, auf denen alle drei Personen – Pharao, Gemahlin und Tochter – erscheinen wird sie „nur“ mit als „Ehefrau des Königs“ betitel.
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Umstritten ist jedoch ob auch Echnaton seine Töchter ehelichte. Es tauchen nämlich zwei Töchter des Königs – Meritaton und Anchesenpaaton – als Mütter von Königstöchtern auf, die Meritaton tascherit bzw. Anchesenpaaton tascherti, was soviel heißt wie „Die Jüngere“. Eine dritte Tochter – Maketaton – starb wahrscheinlich am Kindbett. Da der Vater jener Kinder leider nirgendwo benannt ist und dies beiden erstgenannten Töchter der Mädchen Echnatons ebenfalls den Titel „Königstochter“ tragen, ist man geneigt anzunehmen, daß sie Töchter eines Königs und somit Echnatons Töchter waren. Jedoch gibt es Vermutungen, daß auch die Tochter eines Königssohnes ebenfalls „Königstochter“ genannt werden konnte. Es ist zwar umstritten, ob Echnaton selbst Söhne hatte, doch wäre er daher nicht zwangsläufig der Vater der mysteriösen Kinder.
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Interessant ist auch, daß keine der nachgewiesenen Königstöchter Echnatons den Titel „Ehefrau des Königs trug. Zwar wurde Meritaton gegen Ende der Herrschaft ihres Vaters „Hauptfrau des Königs“, doch geschah dies wohl einige Zeit nach der Geburt ihrer Tochter. Leider gibt es somit zu viele Lücken in unserem Quellenmaterial, als daß wir bestimmen könnten, ob Echnaton die Kinder seiner Töchter zeugte oder nicht.
Unter Ramses II. gibt es da schon eindeutigere Belege, wie im Falle der drei Töchter Bintanat, Meritamun und Nebet-taui, die allesamt Hauptfrauen des Königs waren. Besonders Bintanat ist durch Denkmäler oftmals bezeugt und erscheint wie ihre „Kollegin“ Sitamun gelegentlich neben ihrer Mutter, der damaligen Hauptfrau Isisnofret. In ihrem Grab wird Bintanat in einer Szene gezeigt, in der ihr eine Königstochter folgt und da es bekannt ist, daß Bintanat in der Mitte der Regierungszeit Ramses II. dessen Frau wurde, ist es unwahrscheinlich, daß ein anderer als Vater in Frage käme als er selbst. Nach dem Tode ihres Vaters war Bintanat wahrscheinlich zu alt um ihrem Bruder und Nachfolger des Pharao – Merenptah – noch Kinder zu gebären.
Während der 18. und 19. Dynastien heirateten einige Pharaonen aus diplomatischen Gründen ausländische Prinzessinnen, um sich mit dem jeweiligen Herrscher eines Landes in verwandtschafliche Beziehung zu begeben, was politisch oftmals von Vorteil sein konnte. Derartige Fälle hierfür gibt es genug: Beispielsweise wären da die drei Frauen von Thutmosis III. – Menhet, Mertit und Menwaj – deren Grab Anfang des Jahrhunderts entdeckt wurde und die wohl ursprünglich aus der Gegend von Syrien oder Palästina stammten.
Alles begann, als die Tochter des mitannischen Königs Artatamas, Thutmosis IV. zur Frau gegeben wurde, um den geschlossenen Frieden zwischen dem Mitannireich und Ägypten zu bekräftigen. Jahrzehntelang hatte es Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Reich gegeben, die aber nun beendet waren. Nach dem Tode Thutmosis IV. führte sein sein – Amenhotep III. – diese raffinierte Heiratspolitik fort, indem er die Allianz durch die Heirat mit Giluchepa, der Tochter des nächsten Mitannikönigs Sutarna, erneuerte. Gegen Ende der Regierungszeit Amenhotep III. starb Sutarna, woraufhin der Pharao sofort an den neuen König von Mitanni schrieb und um die Hand von dessen Tochter bat. Genau das selbe passierte mit den Heiratsbeziehungen Amenhotep´s nach Babylonien. Erst heiratete er die Tochter Kurigalzus II. von Babylon und später verlangte er die Tochter von dessen Nachfolger Kadaschman-Enlil I.. Scheinbar wurden also diese Heiratsallianzen nicht zwischen zwei Staaten, sondern immer zwischen zwei Herrschern getroffen und wenn dieser starb, mußte man folglich die Allianz durch eine neue Ehe wiederherstellen.
Betrachtet man einige dieser diplomatischen Ehen genauer, wird klar, daß es zwei Arten davon gab. Bei der ersten war der Brautvater und Herrscher des jeweiligen Reiches dem ägyptischen Pharao gleichrangig und man nannte einander „Bruder“. Bei der zweiten Variante war der Vater der Braut ein Vasall des ägyptischen Königs, den er als „mein Herr, mein Gott, mein Sonnengott“ anzureden hatte. Die Braut in der 2. Variante war somit wohl nicht mehr eine Geisel, die als Zeichen der Unterwerfung ihres Vaters nach Ägypten entsandt wurde.
Besonders bemerkenswert aber ist die Geschichte einer hethitischen Prinzessin, die Ramses II. ehelichte und bei der Hochzeit den ägyptischen Namen Maathorneferure und den Titel „Hauptfrau des Königs“ erhielt. Dies erreichte nach unseren bisherigen Erkenntnissen keine andere ausländische Prinzessin und es ist auch möglich, daß der hethitische König und Brautvater auf diesen Rang als Teil der Heiratsvereinbarung bestand. Allerdings stellt der Fall der Maathorneferure jedoch eindeutig eine Ausnahme dar. Viele der ausländischen Frauen hatten vermutlich kein angenehmes Leben. Sie fanden sich plötzlich in einer fremden Gesellschaft, weit weg von ihren Familien und vielleicht sogar nicht einmal der Landessprache mächtig wieder und waren ihrem neuen „Herrn“ hilflos ausgeliefert. Ein kleiner Fürst konnte als Untertan Ägyptens schwerlich danach fragen, wie der Pharao seine Tochter oder Schwester behandelte und so verschwanden viele dieser Frauen spurlos im Harim und man hörte nie wieder etwas von ihnen.
Aufgrund der Vielzahl der Ehefrauen eines Pharao konnte man auch annehmen, daß diesen Verbindungen auch viele Kinder entsprangen. Das eindrucksvollste Beispiel stellt in diesem Falle wohl wieder einmal das des Pharao Ramses II. dar, der sich rühmte über 100 Kinder gehabt zu haben. Nach neuesten Vermutungen dürfte dies wohl sogar noch eine Untertreibung gewesen sein.
Quelle Bild links: Nofret - Die Schöne. Die Frau im alten Ägypten
Wenn ein Königskind geboren wurde, entscheid sein Geschlecht sofort über seinen zukünftigen Platz im Leben. Jeder Sohn wurde als potentieller Thronerbe gesehen und mußte eine Erziehung erhalten, die einem künftigen Herrscher angemessen war. Zwar besaß eine Tochter keine Aussichten auf die Thronfolge, doch waren diese wohl künftige „Königsfrauen“ und mit der Königsmutter sowie der Hauptfrau des Königs bildeten sie eine Dreiheit von Mutter, Gattin und Tochter, die die drei Aspekte der Hathor in ihrer Beziehung zum Sonnengott Re wiederspiegelte. Diese enge Verbindung zwischen den königlichen Frauen gestattete es den Königstöchtern, gelegentlich mit ihren Vätern zusammen auf Ritualszenen zu erscheinen, auf denen man für gewöhnlich auch die Mutter oder die Ehefrau des Königs darstellte.
Dagegen hatten Königssöhne keine rituelle Rolle während der Regierungszeit ihres Vaters und werden sogar sehr häufig unter der Herrschaft ihrer Brüder überhaupt nicht erwähnt. Dies liegt wohl mit daran, daß es in der Mythologie des Königtums nur einen Erben, einen „Horus-im-Nest“ gab. Es gab zwar offiziell nur einen sehr geringen Spielraum für die Beteiligung bzw. Einmischung von Frauen bei der Thronfolge, doch gelang es mit Sicherheit oftmals einer mächtigen Königsmutter, Königsgattin oder auch einer Lieblingsfrau des Königs in die Wahl des Thronerben aktiv einzugreifen. Hier wurde auch vor Intrigen und sogar Mord nicht zurück geschreckt, wie beispielsweise die berühmte „Haremsverschwörung“ zeigt., welche sich unter der Regierung von Ramses III. ereignete.
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